Einblicke in besondere Momente

Nicht alle Konzerte finden regelmäßig statt – manche sind einmalige Highlights, die als kreative Projekte, Herzensanliegen oder besondere Kooperationen entstanden sind. Hier sind jene Konzerte versammelt, die vielleicht nicht wiederkommen – aber in Erinnerung bleiben. Jedes Projekt hatte seine ganz eigene Handschrift, sein eigenes Publikum, seine eigene Geschichte.

Ein Rückblick lohnt sich.

Verdis Messa da Requiem — Vertiefende Betrachtung

Giuseppe Verdis Messa da Requiem ist mehr als nur eine Totenmesse — sie ist ein dramatisches musikalisches Monument, das Opernhaftigkeit und geistliche Tiefe zu einer einzigartigen Einheit verbindet. In der Interpretation des Philharmonischen Orchesters Aschaffenburg zeigt sich das Werk als emotional aufwühlendes Spiegelbild menschlicher Endlichkeit und spiritueller Sehnsucht.

Die sieben Sätze des Requiems entfalten eine Klangwelt voller Kontraste: vom erschütternden Dies Irae, das mit seinen apokalyptischen Bildern biblischen Ursprungs die Furcht vor dem Jüngsten Gericht heraufbeschwört, bis zur lyrisch-tröstlichen Lacrimosa-Passage, die verletzliche Menschlichkeit fühlbar macht. Gerade das zweite Stück, mit seiner komplexen Unterteilung in 13 Einzelabschnitte, verlangt höchste Konzentration und ein feines Gespür für die innere Dramaturgie.

Das Philharmonische Orchester Aschaffenburg, das sich für dieses Werk zu einer erlesenen Besetzung aus den besten Musiker*innen der Region vergrößerte, zeigt eindrucksvoll, wie mit begrenzten Probenzeiten dennoch eine klangliche Einheit geschaffen wird, die das Werk in seiner ganzen Fülle lebendig und kraftvoll erscheinen lässt. Unter der Leitung von Michael Millard entsteht ein lebendiger, pulsierender „Faden“ durch das Werk, der trotz der unterschiedlichen Tonarten und emotionalen Facetten eine klare Linie bewahrt.

Das Zusammenspiel mit dem Kammerchor Ars Antiqua und den vier herausragenden Solist:nnen aus dem Opernstudio der Oper Frankfurt bringt das Werk in eine intime Nähe, die sowohl theatralische Ausbrüche als auch zarte Nuancen ausleuchtet. Die Solistinnen – Nombulelo Yende, Cláudia Ribas, Abraham Bretón und Simon Bailey – verkörpern mit ihren Stimmen die gegensätzlichen Extreme von Todesangst und Erlösungssehnsucht, Trauer und Hoffnung.

Diese Aufführung ist zugleich ein persönliches Gedenken an den verstorbenen Chorleiter Stefan Claas, dessen Vision und Leidenschaft das Projekt seit 2019 begleiteten. So verweben sich in Verdis Requiem künstlerische Brillanz und tief empfundene Erinnerung zu einem emotional dichten, musikalischen Erlebnis, das über die Grenzen der klassischen Liturgie hinausweist. Es lädt ein, über Vergänglichkeit, Schuld und Erlösung nachzudenken – Themen, die in Zeiten globaler Krisen aktueller denn je erscheinen.

Peter und der Wolf - Erzählen in Klang

Peter und der Wolf war eine musikalische Geschichte, die weit über das Erzählen hinausging – sie war ein Erlebnis, das Musik und Fantasie auf einzigartige Weise verband. Sergej Prokofjew komponierte sein Werk 1936, um Kindern die Instrumente eines Orchesters näherzubringen. Doch das Ergebnis ist mehr als ein pädagogisches Projekt: Es ist ein charmantes, spannendes und künstlerisch brillantes Stück Musiktheater.

In dieser Aufführung wurde die Geschichte mit großer Lebendigkeit und erzählerischer Wärme auf die Bühne gebracht. Jeder Charakter – vom mutigen Peter über die schnatternde Ente bis hin zum bedrohlichen Wolf – wurde von einem eigenen Instrument verkörpert, sodass sich vor den Augen und Ohren des Publikums eine bunte, lebendige Welt entfaltete.

Besonders für jüngere Zuhörer:innen wurde das Konzert zu einer ersten Begegnung mit dem Orchester – als erzählendes, atmendes Wesen. Doch auch Erwachsene konnten sich der Magie dieser Klangwelt kaum entziehen.

Peter und der Wolf zeigte, wie Musik Figuren formen, Spannung aufbauen und Emotionen transportieren kann – ganz ohne Kulisse, nur durch Klang. Eine Geschichte, die mit jedem Ton lebendig wurde. Und ein Konzerterlebnis, das lange in Erinnerung blieb.

Britten 2022

Britten 2022 stellte einen Komponisten in den Mittelpunkt, der wie kaum ein anderer die Musik des 20. Jahrhunderts geprägt hat. Benjamin Britten war ein Erzähler, ein Humanist und ein kompromissloser Künstler. Seine Werke sprechen mit klarer Sprache, musikalischer Raffinesse und einem tiefen Gespür für gesellschaftliche und emotionale Themen.

In mehreren Konzerten wurden zentrale Werke seines Schaffens vorgestellt – darunter bewegende Vokal- und Kammermusik, aber auch Werke, die sein politisches und pazifistisches Engagement hörbar machten. Die Programme luden dazu ein, Britten neu zu entdecken: als modernen Klassiker, der mit innerer Dringlichkeit und ästhetischer Klarheit komponierte.

Begleitet von erläuternden Worten, feinfühliger Interpretation und einer konzentrierten Atmosphäre bot Britten 2022 nicht nur Musik, sondern einen Zugang zu einem musikalischen Denken, das bis heute aktuell bleibt.

Ein Porträt in Klang – intensiv, inspirierend, notwendig.

Oper für Kinder

Oper für Kinder war eine Einladung, die Welt der großen Gefühle in kleinem Format zu entdecken. Denn Kinder brauchen keine Vereinfachung – sie brauchen Zugänge. Und genau das bot dieses Projekt: eine Operninszenierung, die kindgerecht erzählt, aber musikalisch anspruchsvoll umgesetzt war.

Mit echter Opernstimme, Live-Musik und einer liebevoll gestalteten Dramaturgie wurde eine Geschichte zum Leben erweckt, die Spannung, Humor und Emotion vereinte. Dabei wurde auf Augenhöhe erzählt – ohne belehrenden Ton, aber mit großer künstlerischer Sorgfalt.

Die Aufführung zeigte, dass klassische Musik auch für junges Publikum begeisternd sein kann, wenn sie authentisch, spielerisch und ernst genommen wird. Oper für Kinder öffnete Ohren, weckte Neugier – und legte vielleicht den Grundstein für eine lebenslange Begeisterung.