Gespräch mit der Pianistin Elena Melnikova aus Aschaffenburg

»Da steckt echte Arbeit dahinter, das so leicht und spielerisch klingen zu lassen« Elena Melnikova: Was der Aschaffenburger Pianistin Sergej Rachmaninow bedeutet und wie sie die schwierigen Stücke einübt – Pausen zur Besinnung sind unerlässlich

Main-Echo BETTINA KNELLER

Die Russin Elena Melnikova hat sich als Pianistin einen Namen gemacht über die Grenzen der Region hinweg. Der Philharmonische Verein Aschaffenburg arbeitet mit ihr für zwei Konzerte am 18. und 19. Oktober in Klingenberg (Kreis Miltenberg) zusammen. Wie sich die Musikerin auf das Konzert vorbereitet und warum sie Rachmaninow so schätzt, verrät sie im Gespräch mit dem Medienhaus.

Der Komponist, Pianist und Dirigent Sergej Rachmaninow lebte zeitweise in der Schweiz.

Foto: dpa

Erinnern Sie sich noch an den an das erste Mal, als Sie etwas von Rachmaninow gespielt haben?
In Russland war ich seit meiner Kindheit dort schon immer umgeben von seiner Musik und habe auch damals schon kleine Werke von ihm gespielt. Aber dadurch, dass das damals so dominant war um mich herum, habe ich erst später wirklich bewusst begonnen, seine Werke selbst zu spielen. In Deutschland habe ich mir dann die Corelli-Variationen angeeignet. Dann gab es eine Phase, in der ich mich von Rachmaninow entfernt habe und ihn gar nicht mehr gespielt habe. Und schließlich nach etwas mehr Abstand habe ich mich ihm dann wieder genähert und habe seine zweite Klaviersonate einstudiert.

Die Pianistin Elena Melnikova testet in Frankfurt den Steinway, an dem sie dann in Klingenberg das Konzert des Philharmonischen Vereins Aschaffenburg bei Wika spielen wird.

Foto: Petra Reith


Sie werden beim Konzert in Klingenberg sein Klavierkonzert Nr. 3 spielen. Das gilt als eines der schwersten Klavierstücke weltweit. Wie bewerkstelligen Sie das?
Ich habe eine große Freude daran. Es ist sowieso eines meiner liebsten Stücke und eines meiner Lieblingskonzerte. Also da ist natürlich der Weg auch das Ziel. Ich habe große Freude daran, mir das zu erarbeiten. Und ich mag es, gerade die virtuosen Passagen, die etwas schwieriger sind, mit einer Leichtigkeit zu spielen. Da steckt echte Arbeit dahinter, das so leicht und spielerisch klingen zu lassen. Aber es ist für mich so ein sehr befreiendes Gefühl, so etwas spielen zu dürfen, spielen zu können. Die Fähigkeiten hat man sich vielleicht auch im Laufe des Studiums durch viel Arbeit errungen – und die darf man jetzt genießen.


Was genau schätzen Sie am Stück?

Ich mag den Schwung daran, die Tiefe, die Melancholie, die große Bandbreite an Gefühlen, die das Werk bietet. Das kann ich alles ausschöpfen in so einem Konzert. Wenn man als Pianistin das Orchester an seiner Seite hat, ist es natürlich eine unglaubliche Art, Musik zu machen, weil da so viel Power dahinter steckt und das ist immer ein einzigartiges Erlebnis. Das kostet natürlich auch Kraft und Energie, aber das ist etwas, was man gerne investiert. So ein Stück bringt einen auf Hochtouren. Man muss sehr schnell denken, sehr schnell fühlen, sehr schnell Klang-Reize verarbeiten. Man ist natürlich auch konzentriert, das gehört dazu. Aber nicht zuletzt erfreue ich mich einfach am Prozess des Spielens.

Sie kennen ja die ganzen Fallstricke im Stück. Wie gehen Sie damit um?
Natürlich steckt da Arbeit dahinter. Aber ich denke, dass einem sehr viel verloren ginge, wenn man jetzt auf der Bühne beim Spielen keine Freude mehr empfinden würde. Ich kenne das auch anders noch aus dem Studium, wo ich noch sehr unsicher war mit vielen Dingen. Ich hatte vieles noch nicht ausprobiert auf der Bühne, noch nicht die Erfahrung gemacht, dass man eben auch einfach sich darauf freuen kann, das jetzt zu spielen. Sehr oft ist mir das damals passiert, dass ich die Freude nicht rübergebracht hatte, obwohl ich mir das so sehr gewünscht habe. Wenn man sich also dabei verzettelt, sich mit solchen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten zu beschäftigen, geht die Freude verloren. Denn am Ende geht es wirklich um die Musik und um das Werk – und nicht um das eigene Ego, die Unsicherheit und um die Angst.

Die Pianistin Elena Melnikova testet in Frankfurt den Steinway, an dem sie dann in Klingenberg das Konzert des Philharmonischen Vereins Aschaffenburg bei Wika spielen wird.

Foto: Petra Reith


Haben Sie denn überhaupt kein Lampenfieber?
Eher nein. Und wenn, dann ist es eher eine beflügelnde Aufregung. Und das fühlt sich viel besser an als Lampenfieber. Aber in meinen Anfangsjahren als Pianistin kannte ich es auch in etwas anderer Form. Im Laufe der Zeit und der wachsenden Konzerterfahrung habe ich das einfach zu managen gelernt. Lampenfieber nimmt einem viel Freiheit. Und wenn ich selbst in ein Konzert gehe, möchte ich natürlich auch einen freien schöpferischen Künstler wahrnehmen und das ist letztendlich das viel Wichtigere, als überall den richtigen Ton gespielt zu haben. Denn das umsetzen zu können, was der Komponist mal mit seinem Werk gemeint hat, das ist die weitaus wichtigere Aufgabe in Konzerten. Dafür lohnt es sich, sein Lampenfieber in Schach zu halten.


Wie viel üben Sie denn am Tag?
Das ist wirklich ganz unterschiedlich. Früher waren es acht bis zwölf Stunden in der Regel. Inzwischen hat sich das gewandelt und ich habe mein Übepensum teilweise reduziert. Je freier man mit dem eigenen Alltag, auch mit dem musikalischen Alltag umgeht, desto freier ist man natürlich auch in der Gestaltung der Übungszeit. Ich habe nicht mehr den Zwang, dass jeden Tag geübt werden muss oder möglichst viel geübt werden muss. Schon gar nicht über den Erschöpfungszustand hinaus, dann passiert ohnehin nicht viel. Manchmal tut es dem Körper und dem Geist auch ganz gut auszuatmen. Irgendjemand sagte mal, dass der Musiker alles vernachlässigen darf – sogar die Musik. Und es ist manchmal richtig und im Sinne des Werkes. Bis man merkt, dass man wieder in der schöpferischen Kraft, in der Gestaltungsenergie angekommen ist. Dann kann man dem Werk auch eine Energie geben, die man gerne sich entfalten sehen möchte. Und so gibt es inzwischen auch Tage, sogar Wochen, in denen ich eben überhaupt nicht übe. Natürlich nicht in der intensiven Vorbereitung auf ein Konzert wie jetzt gerade.


Wie meinen Sie das genau?
Also an Tagen, an denen ich vielleicht nur eine halbe Stunde geübt habe, merke ich, dass danach im Hintergrund trotzdem der Prozess des Übens weiterläuft im Kopf. Nach ein paar Tagen gehe ich ans Klavier und merke, es hat sich was getan, es ist etwas vorangekommen, ohne dass ich mit kognitiver Kraft oder mit physischer Kraft da dran war. Sondern eben gerade dadurch, dass man immer wieder loslässt und sich das ja so einpendeln darf. Für einen Künstler ist es ein wichtiger Teil, zu verstehen, die Dinge auch einfach kommen zu lassen.

Die Pianistin Elena Melnikova testet in Frankfurt den Steinway, an dem sie dann in Klingenberg das Konzert des Philharmonischen Vereins Aschaffenburg bei Wika spielen wird.

Foto: Petra Reith


Haben Sie Rituale vor einem solchen großen Konzert? Gibt es eine besondere Vorbereitung?
Ausreichend und gut schlafen ist wichtig. Und nicht ständig verfügbar sein. Also auch Handy weg und die digitale Welt ignorieren. Da gibt es viele Künstlerkollegen, die kurz vor dem Auftritt hinter der Bühne noch Reels für die sozialen Medien machen. Das mag ich überhaupt nicht.


Mit Rachmaninow verbinden viele die berühmte russische Seele. Was denken Sie darüber?
Das ist natürlich mein kultureller Hintergrund, aus dem ich letztendlich auch komme. Das bedeutet mir auch sehr viel bis heute. Ich habe diese vielseitige russische Kultur mit der Muttermilch eingesogen, aber eben nicht nur sie. Meine erste Lieblingsplatte war eine Chopin-Platte. Die russische Seele ist ja auch anders konnotiert als das, was man von außen als russische Seele betrachtet, sozusagen ein gemeinsamer Nenner vieler sehr unterschiedlicher Komponisten.b

Hintergrund

Elena Melnikova wurde 1982 in Nowosibirsk in Russland geboren. Im Alter von fünf Jahren bekam sie ihren ersten Klavier-, Ballett- und Musiktheorieunterricht. Bereits zwei Jahre später trat sie nicht nur öffentlich auf, sondern gewann erste Preise und Auszeichnungen im Rahmen regionaler Musikwettbewerbe. Im Alter von neun Jahren fand ihr erster Auftritt mit Orchester statt. Sie wurde an einer Spezialschule für Hochbegabte in Nowosibirsk unterrichtet, wo sie im Jahr 1990 ihr Studium unter der Leitung der bekannten Klavierpädagogin Meri Simchowna Lebenson begann. Von 1999 an setzte sie ihr künstlerisches Studium an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover fort, wo sie in die Klasse von Karl-Heinz Kämmerling aufgenommen wurde.  2001 wurde sie mit einem Diplom beim Beethoven-Wettbewerb in Wien ausgezeichnet, wo sie eine der jüngsten Teilnehmerinnen war. 2004 kam das Magisterstudium der Musikwissenschaft und Philosophie hinzu (bis 2010), und in dem gleichen Jahr bestand sie die Aufnahmeprüfung in die Solistenklasse. Während des Doppelstudiums der Soloklasse und des Magisterstudiums nahm sie weiter erfolgreich an Wettbewerben teil.    Während ihrer internationalen Konzerttätigkeit seit 1994 bis heute ist Melnikova als Solistin und in unterschiedlichen Kammermusik-Besetzungen aufgetreten. Heute gestaltet sie neben ihrer Konzerttätigkeit den von ihr im Mai 2024 mitgegründeten Aschaffenburger Musiksalon.

Zur Person: Elena Melnikova

Zusätzlich zum Konzert "Rachmaninow kennenlernen" am 18. Oktober um 19 Uhr bei der Wika in Klingenberg und der Matinee für Schüler am 19. Oktober um 11 Uhr auch bei Wika in Klingenberg gibt die Pianistin Elena Melnikova aktuell sechs Workshops an Schulen in den Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg: am Maria-Ward-Gymnasium, am Dalberggymnasium in Aschaffenburg, am Hanns-Seidel-Gymnasium in Hösbach sowie am Hermann-Staudinger-Gymnasium in Erlenbach, am Julius-Echter-Gymnasium in Elsenfeld und am Johannes-Butzbach-Gymnasium in Miltenberg. Während die Konzerte öffentlich sind, sind die Workshops interne Schulveranstaltungen.  

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